Der historische Karneval von Bibbiena, wo Frieden und Liebe einen mittelalterlichen Streit auslöschen
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Der historische Karneval von Bibbiena, dem bedeutendsten Zentrum des Gebirgstals Casentino, nur 30 Kilometer von Arezzo entfernt, ist mit der Liebesgeschichte einer jungen Frau verwoben.
Jedes Jahr findet hier die traditionelle Wiedererweckung der Mea statt, die Bibbiena mit traditionellen Festen auf Plätzen, Märkten, Banketten, mit Fahnenträgern und historischen Palästen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, in das Mittelalter zurückversetzt.
Die Wurzeln der Legende: der Raub der schönen Mea
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten zum Karneval von Bibbiena steht eine Volkslegende: Zu der Zeit, als Graf Tarlati Herr des Dorfes war, lebte im Stadtteil Fondaccio in Bibbiena eine junge und schöne Waschfrau: Bartolomea, auch Mea genannt. Eines Tages, als Mea ihre gewaschene Wäsche nach Hause brachte, wurde sie vom jungen Sohn des Grafen, Marco Tarlati, bemerkt, der sich so sehr in sie verliebte, dass er sie entführte und in seinem Palast einsperrte. Die Untat führte zu einem Volksaufstand, angeführt von Cecco, dem Weber, dem Verlobten von Bartolomea, und zu einem Streit zwischen den Ortsteilen, bei dem das Dorf in Brand gesteckt wurde: auf der einen Seite standen die Fondaccini, benannt nach dem populären Viertel, zu dem Cecco und Mea gehörten, auf der anderen Seite die Piazzolini, die Bewohner der Paläste im oberen Teil des Dorfes.
Die Legende der Mea hat ein Happy End: Um die Unruhen zu besänftigen, berief der alte Graf die gesamte Bevölkerung auf den Dorfplatz ein und gab die schöne Mea, die in prächtige Gewänder gekleidet war, wieder frei.
Die historischen Wurzeln und die Figur des Pier Saccone Tarlati
Wie jede Legende hat die der Raub der Mea ihre Wurzeln in der Geschichte. Die Ursprünge des Festes gehen auf die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts zurück, als die mächtige Familie der Tarlati in Bibbiena regierte.
Es gibt unterschiedliche Hypothesen: Es scheint, dass das Fest nach einem militärischen Sieg des inzwischen betagten Pier Saccone Tarlati, eines Condottiere und Söldnerführers, entstanden ist. Eine andere Vermutung ist, dass die Geschichte von einer der vielen Belagerungen Bibbienas durch die Florentiner inspiriert ist: Um zu beweisen, dass die Stadt nicht in die Knie gezwungen war, ließ Tarlati einen großen Wacholderstrauch auf den Mauern verbrennen, zusammen mit Fleisch und anderem Proviant. Die wahrscheinlichste Version ist wohl, dass Pier Saccone in Bibbiena die Feste nachahmen wollte, die in jenen Jahren in Florenz gefeiert wurden, damit sich das Volk auch einmal austoben konnte.
Zeitreise in die Vergangenheit: Ziel Mittelalter
Wenn Sie sich also in Bibbiena am Sonntag des Karnevals aufhalten, werden Sie sich in einem mittelalterlichen Dorf wiederfinden, umgeben von Edelfrauen, Kriegern zu Pferd und Gauklern. Man kann gar nicht anders, als die eine oder andere Seite anzufeuern: die in gelb-roten Farben gekleideten Fondaccini auf der einen Seite und die Piazzolini auf der anderen Seite in weiß-blau.
Auch heute noch sind bei dem Umzug in historischen Gewändern, mit dem die Feierlichkeiten beginnen, die beiden Stadtteile zunächst getrennt, was die alte Rivalität widerspiegelt: Neben den Darstellern, welche die Hauptpersonen der Legende spielen, sieht man Fahnenschwinger, Trommler, Musiker und Tänzer in Aktion.
Am Ende begegnen die beiden Umzüge auf der Piazza Tarlati einander, wo ein Erzähler, normalerweise ein Schauspieler der lokalen Theatertruppe, an die Legende erinnert, begleitet vom Gesang des Dorfchors – er gehört zu den wenigen in Italien, die die Traditionen des Renaissance-Chorgesangs wieder ausgegraben haben – und von den Tänzen der mittelalterlichen Tänzergruppe.
Bildquelle: PH. Parri Luciano
Das Freudenfeuer des Bello Pomo, Symbol der Eintracht und des Wohlstands
Am Faschingsdienstag, dem letzten Tag des Festes, begeben sich die Piazzolini und Fondaccini um fünf Uhr nachmittags beim Erklingen der Glocke im Hauptturm auf die sogenannte Piazzolina, den kleinen Platz, der die beiden Stadtteile voneinander trennt. Zuvor wurde die Mea, die von einem der schönsten Mädchen des Dorfes gespielt wird, an ihren Ortsteil zurückgegeben. Dann entzündet der Dorfälteste, in der Regel die betagteste Person des Dorfes, feierlich das Feuer des Bello Pomo, einen Wacholderstrauch, der als Symbol für Frieden und Glück gilt.
Das Fest geht dann weiter mit Liedern, Tänzen und ausgiebigen Trinkgelagen.
An den drei Festtagen erwacht Bibbiena zum Leben: Sie können die historischen Paläste, die Märkte und die Handwerksbetriebe besuchen, den Vorführungen der Fahnenschwinger und Falkner beiwohnen oder an den Herausforderungen der antiken Spiele teilnehmen.
Schließlich können Sie sich von den Tänzen und Gesängen auf der Piazza mitreißen lassen und sich vielleicht an einen Tisch setzen, in einer Taverne oder an einem der vielen Bankette, um die lokalen Spezialitäten zu kosten: Zwiebelsuppe, mittelalterliche Gnocchi sowie den Braten des Fondaccio.